Gestern Abend durften wir Lydia Mischkulnig mit ihrem neuen Roman »Beau Rivage« auf der Bühne der Literaturgesellschaft begrüßen. Dieser birgt, wie Moderator Manfred Müller eingangs feststellte, »vieles in sich«:
Der beim Roten Kreuz arbeitende Protagonist Karl kommt aus Afghanistan zurück nach Europa, in Begleitung eines jungen Mannes, dem er zur Flucht verholfen hat. Wir erfahren viel über Karls Familiengeschichte, viel aus der Geschichte des Hotels »Beau Rivage«, in welchem er in Genf wohnt, viel aus der Geschichte des Roten Kreuzes, aber auch viel über die Fallhöhe zwischen der glitzernden Welt der Schweiz und jener, aus der der Protagonist gerade zurückgehrt ist. Thematisiert werden u.a. die eigentlichen Ziele der Helfenden und die Hinterfragung von Rollenbildern sowie des eigenen Verhaltens.
Ausgangspunkt sei dabei die Figur Karl gewesen, ein durch und durch guter Mensch. Im Gespräch beschrieb Lydia Mischkulnig das Buch, dessen Idee schon bei ihrem letzten Roman »Die Richterin« (2019) entstanden sei, als »Versuch, festzustellen, wie und ob man das Gute in die Welt bringen« könne und wohin man in seinem Scheitern komme:
»In der Tat ist es mir darum gegangen, diese vielschichtigen Momente einzubringen, in eine psychische Konstellation einer Figur, die ich Karl nenne. Auch dieser Name ist ja vollgeladen mit vielen Projektionen und Facetten, die es erlauben, sich in viele Richtungen auszuentwickeln, in der Gestaltung des Charakters. Das war für mich die Versuchung.«
Lydia Mischkulnig
Ein weiterer Hauptthemenstrang des Romans ist dem Roten Kreuz gewidmet, das seinen Hauptsitz in Genf hat. Die Problematik bestehe darin, so Lydia Mischkulnig, dass Unparteilichkeit nur mithilfe einer gewissen Distanz gewahrt bleiben könne. Doch kann dies immer gelingen? In dem Moment, in dem man den Regeln entgegen »etwas tut, von sich aus tut und das, was man getan hat, ist gut gewesen, wird aber institutionell als schlecht gesehen«, kippe die Situation in die absolute Absurdität. Wie ist es möglich, die Klüfte zwischen dem hehren Anspruch einerseits und der Ohnmacht andererseits auszuhalten? Ihre Recherchen haben die Autorin, wie sie im Gespräch erzählt, zu vielen erhellenden Gesprächen mit Mitgliedern solcher Organisationen und schlussendlich auch nach Genf gebracht.
Moderation: Manfred Müller
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 25.3.2025
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Lydia Mischkulnig und Manfred Müller © ÖGfL -
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Manfred Müller © ÖGfL