Vor knapp 15 Jahren erschien mit »Lieutenant Gustl« der erste Band der großen von Konstanze Fliedl herausgegebenen historisch-kritischen Schnitzler-Ausgabe bei de Gruyter. Vor kurzem wurde mit »Der einsame Weg Band I & II«, herausgegeben von Anna Lindner und Isabella Schwentner, schon der 15. Band dieses langfristigen, noch lange nicht abgeschlossenen Projekts veröffentlicht. Gestern Abend fand in Kooperation mit der Arthur Schnitzler-Gesellschaft in der Literaturgesellschaft die Präsentation des eindrucksvollen Werks statt.
Nach einer Begrüßung durch Manfred Müller, der die leider erkrankte Konstanze Fliedl vertrat, stellten die beiden Herausgeberinnen Anna Lindner und Isabella Schwentner das Stück, seine Entstehung sowie die Arbeit an der Edition vor. Wie die beiden ausführten, gestaltete sich das Edieren ähnlich komplex, wie es wohl auch der durch Neuansätze und Variationen geprägte Entstehungsprozess des Theaterstücks gewesen war. Als Herausforderungen stellten sich sowohl die schwierige Nachlasssituation der in der ganzen Welt verteilten, teils durch eigenmächtige Benutzer neu sortierten Manuskripte Schnitzlers dar als auch die Transkription seiner schwer entzifferbaren Handschrift. Denn durch seinen Hang zur Reduktion sind Buchstaben mitunter nicht zu unterscheiden, was in der Geschichte der Schnitzler-Editionen zu vielen Falschinterpretationen und sinnstörenden Fehlern geführt hat und im Rahmen der Präsentation für einige Lacher sorgte.
Die historisch-kritische Ausgabe des »einsamen Weges« bietet, wie alle anderen Bände der Gesamtausgabe, alle Entstehungsmaterialen zum Werk, eine Vorbemerkung, die Faksimiles der überlieferten Handschriften und der erhaltenen Typoskripte, den editierten Drucktext samt Varianten, Erläuterungen erklärungsbedürftiger Begriffe sowie einen Anhang. Dabei nehmen in beiden Bänden die Materialien zur Entstehung bei weitem am meisten Raum ein. Die komplizierte Entstehungsgeschichte des Stücks hängt, wie die beiden Herausgeberinnen vermuten, wohl auch damit zusammen, dass Schnitzler entgegen seiner sonstigen Arbeitsweise hier zwei verschiedene Stoffideen – zum einen den alternden Egoisten, der mit seiner Einsamkeit zu kämpfen hat, zum anderen den Sohn, der bei dem von der Mutter getäuschten Ziehvater aufwächst – miteinander kombinierte.
In der bislang letzten Inszenierung des Stücks, die ab 2018 im Theater in der Josefstadt zu sehen war, wurden die beiden Figuren Johanna und Felix von Alma Hasun und Alexander Absenger verkörpert. In der zweiten Hälfte des Abends gehörte die Bühne den beiden Schauspieler*innen, die dem Publikum im Rahmen einer szenischen Lesung unterschiedliche Skizzen und Niederschriften des Avant-Textes präsentierten.
Begrüßung: Manfred Müller
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 9.4.2025