Am Dienstag Abend präsentierten Ditha Brickwell und Simone Schönett ihre neuen Bücher, in denen sie sich unterschiedlichen Schicksalen zahlreicher Personen widmen, die jeweils an Kippunkten ihrer Leben stehen.
Ditha Brickwell, die bereits ihr dreizehntes Buch vorlegt, stellt in »Die andere Seite der Nacht« (Drava) tatsächlich erlebte Familienschicksale in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus, ins Zentrum ihrer Geschichte.
Im Fokus stehen auf der einen Seite die Familie Veit Simon, mit dem Ehepaar Irmgard und Heinrich und ihren 6 Kindern. Während Irmgard Protestantin ist, zählen die Veit Simons zu einer der ältesten jüdischen Familie Berlins. Heinrich, der zum Großbürgertum zählt und dem Zionismus skeptisch gegenüber steht, verweigert sich und seiner Familie mit dem aufkommenden Nationalsozialismus das Land zu verlassen. Dies wird zahlreichen Familienmitgliedern zum Verhängnis werden.
Auf der anderen Seite trifft Mann die protestantische Malerin Ilse Schöneberg-Voigt und ihren jüdischen Ehemann Ludwig Schöneberg, die sich und ihr Vermögen über wie ein Theaterstück inszenierte Geschehnisse ins Ausland retten.
Während der Roman, der sich als zweiter Teil in die Romantrilogie »Dunkelreise« reiht, Unterdrückung, Verfolgung und Verlust thematisiert, zeigt er gleichzeitig auch den Mut und Überlebenswillen und schließlich das Überlebensglück eniger Figuren.
Nach einer Lesung aus dem Buch, erzählte Ditha Brickwell im Gespräch mit Ines Scholz von ihren Begegnungen und Gesprächen mit im Buch vorkommenden Personen und ihren Nachfahren, von den Dokumenten und teils hoffnungsvollen, teils tragischen Briefen, die ihr als Vorlage beim Schreiben dienten und betonte die Bedeutung und Aktualität der Geschichte in der aktuellen weltpolitischen Lage.
Als zweite Autorin trat Simone Schönett mit ihrem neuen Erzähöband »Beim Barte der Prophetin« (Edition Atelier) auf die Bühne. Sie versammelt darin 11 Erzählungen, die sowohl leichtere, amüsante Situationen als auch tragische und düstere Ereignisse beschreiben und den Fokus stets auf Frauenfiguren setzen.
Als Leser*in trifft man auf die Schwestern Rita und Pauline, beide Künstlerinnen, die sich bei einer Veranstaltung lautstark über ihre Konkurrentinnen auslassen und mit anderen Gästen streiten ebenso wie auf eine Ministeriumsmitarbeiterin, die in dem literarischen Text einer Einreichung ihre eigene Lebensgeschichte wiedererkennt. Auch Themen wie das Patriarchat, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, psychische und physische Gewalt in Beziehungen sowie Krieg und das Einholen der eigenen Vergangenheit werden von der Autorin in Erzählungen verarbeitet.
Simone Schönett las Auszüge aus zwei ausgewählten Texten, die die Vielfalt des Bandes wiederspiegeln.
Die erste Lesestelle brachte dem Publikum Hermine Braunstein-Ryan näher, eine ehemalige KZ-Lageraufseherin, die viele Jahre nach Ende des Krieges für ihre Taten verhaftet und angeklagt wurde. Während im Zuge des Gerichtsprozesses schreckliche Handlungen zu Tage treten, sieht sie sich selbst stets als Opfer des Systems, denn wie sie immer wieder betont, war sie nur »ein kleines Zähnchen am Rad«.
Im Gespräch mit Ines Scholz berichtete die Autorin von der Herangehensweise an Texte, die auf ware Begebenheiten beruhen, ihrem Bedürfnis, Frauen in diesem Band nicht nur als Opfer, sondern auch als Täterinnen zu zeigen und dem Spiel der literarischen Verarbeitung von Situationen aus der Kunst- und Kulturszene.
Zum Abschluss des Abends las Simone Schönett ihre amüsante Erzählung »Schwesternneid«, über Konkurrenzdenken in der Kulturszene und einen ausgelassenen Abend, der für die Protagonistinnen in der Ausnüchterungszelle endet.
Moderation: Ines Scholz
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 8.4.2025