Elfriede Gerstl liest aus »Spielräume« (edition neue texte) und »Berechtigte Fragen« (Edition Literaturproduzenten, Jugend & Volk).
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 26. Februar 1974
Elfriede Gerstl (1932 – 2009), die die NS-Zeit als jüdisches Kind in verschiedenen Verstecken in Wien überlebte, veröffentlichte ab Mitte der 1950er Jahre Gedichte, Kurzprosa, Essays und Hörspiele. Sie war die einzige Frau im Kreis der ›Wiener Gruppe‹, lebte in den 1960er Jahren in Berlin und ab 1972 wieder in Wien. Elfriede Jelinek schreibt über sie:
»Ich verlange, dass die Werke Elfriede Gerstls die nächsten hundert Jahre (und noch viel länger) gelesen werden. Das ist eine Stimme in der österreichischen Literatur, die nie verstummen darf«.
Ihre gesammelten Werke liegen seit 2017 in einer von Christa Gürtler, Helga Mitterbauer und Martin Wedl vorbildlich edierten fünfbändigen Ausgabe im Literaturverlag Droschl vor.
In Veranstaltungen der Literaturgesellschaft trat sie zwischen 1968 und 2006 achtmal auf. Am 26. Februar 1974 las sie u.a. ihr Gedicht »Schritte« (entstanden 1967), in dem es heißt:
»Kein Fortschritt, wenn ich mich gehen lasse
kein Rückschritt, wenn ich mich liegen lasse
auf blaue Nebel fehlt mir der Appetit
ferne Ziele liegen mir fern
ich kokettiere nicht mit der Wahrheit
ich bin nicht klein genug für den Größenwahn.
Ich übe mich im Spazierengehen in den vernünftigen Grenzen
mal umsehen
mal Brillen wechseln
meine Schritte bilden ein Muster
mit der Zeit gehe ich genauer.«