Am Freitag fand der inzwischen traditionelle TRADUKI-Abend im Rahmen der Buch Wien 2025 in den bis zum letzten Platz gefüllten Räumlichkeiten der Literaturgesellschaft statt. Im Zentrum des Abends stand die Stadt Belgrad – zu ihr haben die serbische Autorin Milica Vučković und der in Wien geborene und in Belgrad aufgewachsene Autor Marko Dinić einen starken Bezug. Mit Katja Gasser sprachen sie über ihre jeweils neuesten Bücher »Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen« (übers. v. Rebekka Zeinzinger; Zsolnay) und »Buch der Gesichter« (Zsolnay).
Beide Romane thematisieren Erfahrungen der Gewalt und der Machtlosigkeit, wobei in »Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen« das erschreckend realistische Psychogramm einer Beziehung nachgezeichnet wird, die in einem dauerhaften Schwanken aus Verletzung und Wiedergutmachung bis hin zu häuslicher Gewalt die Protagonistin Eva systematisch zu zerstören droht. Milica Vučković diskutierte, gedolmetscht von Mascha Dabić, über Hoffnung als passiven Zustand, die Problematiken des Begriffs der Emanzipation und die stark ausgeprägten Unterschiede zwischen dem zentralen Belgrad und der Peripherie Serbiens. Das Ziel der Autorin sei es, mit ihrem Buch ein sehr reales Thema auf literarischem Weg sichtbar zu machen. Sie plädierte für eine feministisch-politische Lesart und thematisierte nach einer zweisprachigen Lesung die Wichtigkeit einer gewissen ironischen Distanz zu sich selbst sowie die Kritik an einem bestimmten Typos des Pseudo-Intellektualismus.
Marko Dinićs Roman »Buch der Gesichter« dreht sich um jenen Tag des Jahres 1942, an dem Belgrad unter deutscher Okkupation für ›judenfrei‹ erklärt wurde. Der Text setzt sich mit der Kontinuität von Gewalt, die nur ihrer selbst willen ausgeübt wird, sowie der Widersprüchlichkeit von Krieg auseinander, und verhandelt aus insgesamt acht unterschiedlichen Perspektiven die zentrale Thematik der (Zeit-)Zeugenschaft. Mit Katja Gasser diskutierte Dinić sowohl über die Mechanismen des Texts als Zitatcollage und den Stadtteil Zemun als die wahre Hauptfigur des Romans als auch über die Ambivalenz, in totalitären Systemen Opfer und Täter zugleich zu sein. »Buch der Gesichter« bildet insgesamt einen durchaus österreichischen Roman, der sich gleichzeitig in der Tradition jugoslawischer Literatur ansiedelt.
Moderation: Katja Gasser
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 14. November 2025
Gemeinsam mit TRADUKI im Rahmen der Buch Wien 2025
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Mascha Dabić und Milica Vučković ©ÖGfL -
Katja Gasser ©ÖGfL -
Milica Vučković ©ÖGfL -
Marko Dinić ©ÖGfL -
Marko Dinić und Katja Gasser ©ÖGfL -
Katja Gasser, Marko Dinić, Milica Vučković und Mascha Dabić ©ÖGfL -
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