Am Montag Abend fand die 35. Ausgabe der von Brigitte Schwens-Harrant kuratierten und moderierten Reihe ›Werk.Gänge‹ statt, die zugleich ihr 10-jähriges Jubiläum markierte. Als Gast durfte die Literaturkritikerin und Feuilletonchefin der ›Furche‹ den Schriftsteller und Übersetzer Erich Hackl begrüßen.
Gleich zu Beginn stellte Brigitte Schwens-Harrant klar, dass ein Werkgang bei einem Autor wie Erich Hackl nicht bedeuten könne, auf all seine Werke einzugehen, stattdessen sei das Ziel, anhand von drei exemplarisch ausgewählten Werken einige typische, individuelle und unterschiedliche Dinge in seinem Schreiben zu besprechen.
Am Anfang des Gesprächs stand Erich Hackls erste Veröffentlichung »Auroras Anlaß« (1987), in der er die reale Geschichte von Aurora Rodríguez und ihrer Tochter Hildegart verarbeitet. Letztere erlangte in ihrer Jugend als Wunderkind, Sozialistin und Sexualreformerin internationale Berühmtheit, bevor sie mit 18 Jahren von der eigenen Mutter ermordet wurde.
Nachdem Erich Hackl in der ersten Hälfte der 80er Jahre durch eine Verfilmung auf den Fall gestoßen war, begann er, in Archiven und Gerichtsunterlagen zu recherchieren und sich mit dem Stoff zu beschäftigen, an dem ihm vor allem die gesellschaftliche Dimension interessiert habe. Beim Schreiben habe er sich zuerst, wie er erzählte, an Marie-Thérèse Kerschbaumers assoziativer Erzähltechnik orientiert, dann habe er eine Erkenntnis gehabt:
Die Geschichte von Aurora und Hildegard ist in erster Linie eine unerhörte, eine ganz außergewöhnliche und auf das Höchste erhitzte Geschichte. […] Wenn die Geschichte auf das Höchste erhitzt ist, wie es zum Beispiel auch die Novellen oder Erzählungen von Heinrich von Kleist sind, muss die Sprache möglichst erkaltet sein. Diese Erkenntnis habe ich versucht umzusetzen. Der Autor spielt überhaupt keine Rolle, er gehört ausgemerzt.
Erich Hackl
Auch habe er sich nicht anmaßen wollen, aus einer Innenperspektive über eine Zeit zu schreiben, in der er nicht gelebt habe, über ein Land, über das er keine intime Kenntnis habe, sowie als Mann über eine Mutter-Tochter-Beziehung.
Im Mittelpunkt des zweiten an diesem Abend besprochenen Buchs »Als ob ein Engel« (2007) steht der Fall der jungen Gisela Tenenbaum im Mittelpunkt, die wie viele weitere Oppositionelle während der Militärdiktatur 1977 in Argentinien verschwand. Trotz ihrer Erfahrungen auf einem anderen Kontinent sei die Zeitgenossin Gisela, die vom Alter her seine Schwester gewesen sein könnte, ihm, so Erich Hackl, nicht fremd gewesen. Aufgrund der vielen Zeugenaussagen habe er bei der Struktur einen anderen Weg als bei »Auroras Anlaß« beschritten und die Geschichte aus vielen Perspektiven erzählt, was auch kleine Widersprüche zulasse.
Neben Spanien und Lateinamerika ist es auch die österreichische Zeitgeschichte, die Erich Hackl interessiert. In »Am Seil. Eine Heldengeschichte« (2018) beschäftigt er sich mit dem Fall des Kunsthandwerkers Reinhold Duschka, der in der Zeit des Nationalsozialismus in Wien eine Frau und ihre Tochter rettete. Das Buch sei in gewisser Weise eine Auftragsarbeit gewesen, denn Lucia Heilmann, damals als Jugendliche versteckt, bat Erich Hackl, ein Buch über ihren Retter zu schreiben. Hierbei sei die Schwierigkeit des Chronisten gewesen, dem wortkargen Protagonisten – über dessen Hintergründe und Motivationen Lucia nur wenig erzählen konnte – gerecht zu werden.
Moderation: Brigitte Schwens-Harrant
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 28. April 2025
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Erich Hackl und Brigitte Schwens-Harrant © ÖGfL -
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Manfred Müller © ÖGfL