Erstmals nach 23 Jahren wurde am Freitag, 14. Juni in der Klosterneuburger Babenberger Halle der Österreichische Franz Kafka-Preis verliehen. Dieser zählt zu den renommiertesten Literaturpreisen des Landes, etwa wurden Peter Handke, Elias Canetti oder Herta Müller mit der seit 1979 bestehenden Auszeichnung geehrt, wie Manfred Müller, Leiter der Österreichischen Franz Kafka-Gesellschaft (ÖFKG) in seiner Begrüßung, die gemeinsam mit Stadträtin Katharina Danninger erfolgte, ausführte.

Österreichischer Franz Kafka-Preis an Josef Winkler

Den mit 10.000 Euro dotierten Preis nahm der Kärntner Autor Josef Winkler von seinem Laudator Peter Rosei, der 1993 selbst mit dieser Auszeichnung gewürdigt worden war, und von Manfred Müller entgegen. Josef Winkler zeigte sich von der Auszeichnung sowohl geehrt als auch gerührt und reflektierte in seiner Dankesrede die Rolle Kafkas für sein eigenes Schreiben, seine eigene Arbeit:
Von den Büchern, die ich mit mir in einer Ledertasche herumtrage – Leder ist Haut –, lese ich am liebsten die, die ich mühsam entziffern, Satz für Satz erobern muß, denn sobald mich die Sätze in einem Buch mitzutragen beginnen, ich ihre Leichtigkeit, ihre Lockerheit und Selbstzufriedenheit zu spüren, ja auch zu genießen beginne, lege ich das Buch weg. […] Den berühmten Satz von Franz Kafka an Milena Jesenská: ›Liebe ist, daß du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle‹, verwandelte ich in dieser Zeit zu meinem eigenen Schreiben: Die Sprache ist das Messer, in dem ich in mir wühle! Und: Sprache! Ich kann dich nicht besiegen!
Josef Winkler

Gegen Ende seiner Rede betonte Winkler die Relevanz von Büchern für den Menschen: »Und darum geht es mir jetzt auch zum Schluß dieser Rede: Wir brauchen Bücher, hat Franz Kafka geschrieben.« In diesem Zusammenhang wies er auf die in Klagenfurt fehlende Stadtbibliothek hin. Winkler endete mit einem Zitat des französischen Dichters René Char: »Kafka ist unsere Pyramide.«
Odradek – Buchpreis an Radka Denemarková

Die Prager Autorin Radka Denemarková wurde mit dem heuer erstmals vergebenen Odradek – Buchpreis zum Österreichischen Franz Kafka-Preis geehrt, der mit 5.000 Euro dotiert ist. Ihre Laudatorin, die tschechische Germanistin Dana Pfeiferová würdigte Denemarkovás Roman Die Stunden aus Blei als einen »philosophisch geprägten Essayroman (Konfuzius tritt in einen Dialog mit Václav Havel), der eine Gesellschaft, die sich nur über Geld definiert, am Rande des Abgrunds zeigt«. Denemarková gab sich in ihrer Dankesrede kämpferisch und rief zur Verteidigung der Demokratie auf:
Schreibend führen wir einen Dialog mit der Welt. Ich war zwei Jahre lang in China, wo ich den Roman ›Stunden aus Blei‹ geschrieben habe, was zu einem lebenslangen Einreiseverbot führte, wo sich das Schlimmste des Kapitalismus und das Schlimmste des Kommunismus ›geküsst‹ haben und wo die Wirtschaft beständig wächst – aber ohne Menschenrechte. […] Die Macht verrät heute unabsichtlich wieder ihre ureigenste Intention: das Leben total gleichförmig zu machen, alles nur ein wenig Unabhängige, Abweichende oder nicht Einzuordnende herauszuoperieren, zu entfernen. Aber man muss seinen eigenen Weg gehen. Die Wahrheit ist in dieser Zeit so sehr verdunkelt und die Lüge so weit verbreitet, dass man die Wahrheit nicht erkennen kann, wenn man sie nicht liebt. Deshalb kann ich den Odradek-Literaturpreis so schätzen. Der künstlerische Ruf nach moderner Freiheit endet nie, er ist nämlich nichts Selbstverständliches. Dieser Literaturpreis gibt mir auch eine Antwort auf die Frage, warum der Mensch sich eigentlich bemüht, verantwortlich zu handeln.
Radka Denemarková

Das Programm des Abends umfasste weiters eine Aufführung der Performance ›Kafka tanzt‹ von Charlotte Aigner und Žiga Jereb, einen Vortrag von Manfred Müller zu ›Kafka in Klosterneuburg‹, Lesungen von Nikolaus Kinsky, der auch die Moderation übernahm, und musikalische Beiträge von Heidelinde Gratzl am Akkordeon.
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Nikolaus Kinsky © ÖGfL -
Heidelinde Gratzl © ÖGfL -
Žiga Jereb und Charlotte Aigner © ÖGfL -
Nikolaus Kinsky und Manfred Müller © ÖGfL -
Manfred Müller © ÖGfL
Die Jury des diesjährigen Preises setzte sich aus Gabriele Ecker (Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich), Dana Pfeiferová (Germanistin an der Universität Pilsen), Manfred Müller (ÖFKG), Peter Rosei (Schriftsteller und ehemaliger Preisträger des Österreichischen Franz Kafka-Preises), Daniela Strigl (Literaturkritikerin) und Norbert Christian Wolf (Germanist an der Universität Wien) zusammen. Die Preisgelder beider Preise wurden zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport und der Abteilung für Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich gestiftet. Die Stadt Klosterneuburg richtete den Festakt aus.

Weiterführende Links:
https://www.franzkafka.at
https://radka-denemarkova.cz/
https://www.suhrkamp.de/person/josef-winkler-p-5368
Wien, 19. Juni 2024
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Radka Denemarková © ÖGfL -
Josef Winkler © ÖGfL -
Dana Pfeiferová © ÖGfL -
Peter Rosei © ÖGfL