Die nächste Tafel, die wir vorstellen dürfen, ist dem Schriftsteller Robert Musil (1880-1942) gewidmet und an seinem Wohnhaus in der Straße Jaselská 20 in Brno angebracht. Errichtet wurde sie im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Literatur im Jahr 1991. Auf der zweisprachigen Tafel ist folgender Text auf Tschechisch und Deutsch zu lesen:
»ROBERT MUSIL
1880-1942
Der österreichische Dichter wohnte 1891-1924 hier oft bei seinen Eltern, 1898-1901 studierte er an der technischen Hochschule Brünn.
Österreichische Gesellschaft für Literatur«
Die Tafel weist einen kleinen Fehler auf, denn obwohl die Familie Musil schon 1890 nach Brno zog, wurde dieses Wohnhaus erst 1896 fertig gestellt. Die Musils bezogen die Wohnung daher erst 1897 und nicht – wie auf der Tafel angegeben – 1891. Der Fehler in der Gravur könnte durch einen Zahlendreher der ähnlichen aussehenden Zahlen 1 und 7 zustande gekommen sein.
Nachdem Robert Musil seine frühe Kindheit in Steyr verbracht hatte, zog die Familie aufgrund der Lehrtätigkeit des Vaters an der Technischen Hochschule nach Brno. Robert Musil war zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt und besuchte dort das Gymnasium. In Brno selbst zogen die Musils mehrere Male um, bis sie ab dem Jahr 1897 in einem Haus an der Adresse Jaselská 20 im Stadtviertel Veveří wohnhaft blieben. Damals hieß die Straße noch Augustinská-Straße 10. Später besuchte der junge Musil das Internat in Eisenstadt, Burgenland, und in Mährisch-Weißkirchen (heute: Hranice, Tschechien).
1898 begann Musil an der Deutschen Technischen Hochschule in Brno ein Ingenieursstudium. Nach diesem arbeitete er als Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart und begann ein Studium der Philosophie, Psychologie, Mathematik und Physik in Berlin. Auch nach seinem Studium blieb die Wohnung für Musil ein Ruhepunkt zwischen seinen Reisen und er verbrachte Weihnachten und Ferien hier. Als 1924 beide Eltern starben, überlegte er, nach Brno in die elterliche Wohnung zu ziehen, verlor aber einen Rechtsstreit und mit diesem das Mietrecht. Das Haus steht bis heute unverändert und ist bewohnt, die Gedenktafel ist von der Straße aus gut zu sehen.
Die Veröffentlichung seines ersten und wahrscheinlich bekanntesten Romans »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß« fand im Jahr 1906 statt. Ab Mitte der 1920er-Jahre schrieb er an dem Romanprojekt »Der Mann ohne Eigenschaften«. Dieses Fragment zählt, obwohl es unvollendet blieb, zu den wichtigsten Werken der literarischen Moderne. Nach seinen jahrelangen Aufenthalten in Wien (1921-1931) und Berlin, während denen er als Essayist und Theaterkritiker arbeitete, musste er schließlich 1938 in die Schweiz emigrieren, um seine Ehefrau Martha Musil zu schützen. Dort durfte er aufgrund seines Visums nicht mehr publizieren und war auf finanzielle Unterstützung großzügiger Freunde angewiesen. Im Jahr 1942 erlitt er einen Hirnschlag in Genf, wo er auch begraben wurde.
Es gibt in Wien mehrere Orte, die an Robert Musil erinnern, einer ist der 1956 umbenannte »Musilplatz«, der im 16. Wiener Gemeindebezirk liegt. Des Weiteren wurde 1960 an einem Wohnhaus Musils in der Rasumofskygasse 20 im dritten Bezirk von einem unbekannten Stifter eine von Fritz Wotruba gestaltete Gedenktafel angebracht. An die ÖGfL wurde immer wieder auch die Frage gerichtet, ob diese nicht bald saniert und gereinigt werden würde. Für die in der Rasumofskygasse angebrachte Tafel ist jedoch die Gemeinde Wien verantwortlich, wie in einem von Hella Bronold geschriebenen Brief deutlich wird:
»Wenn eine Gedenktafel an einem Haus in Wien angebracht wird, muss die Gemeinde Wien davon verständigt und gebeten werden, diese Tafel in ihre Obhut zu übernehmen. Die Person oder der Verein, der die Tafel angebracht hat, verliert damit das Verfügungsrecht darüber, die Gemeinde verpflichtet sich, die Tafel instandzuhalten. So wurden einige der von der „Gesellschaft“ angebrachten Tafeln, die im Lauf der Jahre unansehnlich geworden waren, auf unsere Bitte hin gesäubert und renoviert.
(Hella Bronold an Wolfgang Mayer-König, Brief vom 21. März 1975, ÖGfL-Archiv)
Was nun die schon lange vor der Gründung unserer „Gesellschaft“ von Prof. Wotruba angefertigte Gedenktafel für Robert Musil in der Razumofskygasse betrifft, so ist, wie ich In aus der Restaurierungsabteilung des Kulturamts erfahre, der Auftrag zur Instandsetzung schon lange erteilt worden. Ob und wann er durchgeführt wurde, wird man mir in Kürze mit tellen und ich werde Ihnen dann weiter berichten.«
Es könnte sein, dass durch diese und ähnliche Nachfragen auch die Idee einer Tafel an dem Wohnhaus Musils in Brno, gestiftet durch die Österreichische Gesellschaft für Literatur, entsprungen ist. Seit ihrem Bestehen richtete die ÖGfL immer wieder Veranstaltungen zu Robert Musils Werk aus, beispielsweise fand im Mai 1980 ein dreitägiges Symposium mit dem Titel »Stadt und Urbanität im Werk Robert Musils« statt. In dessem Zuge wurde auch die Ausstellung »Robert Musil und seine Zeit«veranstaltet, welche Bundeskanzler Bruno Kreisky eröffnete. Diese Konferenz fand in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen PEN-CLUB und der Internationalen Robert-Musil-Gesellschaft statt. Ein weiteres Symposium wurde im Rahmen der Auslandskulturtagung 2005 durchgeführt – unter dem Titel »Der Mann ohne Eigenschaften«.
Am 17. Februar 2017 wurden in der ÖGfL gemeinsam mit dem Institut für Germanistik der Universität Wien das von Norbert Christian Wolf und Birgit Nübel herausgegebene »Robert-Musil-Handbuch« (Walter de Gryter) sowie die »Robert Musil-Gesamtausgabe in zwölf Bänden« (Hrsg. Walter Fanta, Verlag Jung und Jung) vorgestellt.
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Gedenktafel für Robert Musil, Jaselská 20 in Brno © Dagmar Vobecká -
Gedenktafel in Ehren von Robert Musil in Brno © Dagmar Vobecká