gefunden von Clara Bundschuh im Rahmen ihres Praktikums in der ÖGfL:
Beim Stöbern durch das Archiv bin ich auf einen Brief aus dem Jahr 1962 von Marlen Haushofer an Wolfgang Kraus, damaliger Präsident der Literaturgesellschaft, gestoßen – eine Antwort auf die Einladung zu einer Lesung, die auf Wunsch des Unterrichtsministeriums von der ÖGfL ausgerichtet wurde.
Bei der Lesung sollten Marlen Haushofer sowie Hans Friedrich Kühnelt und Harald Zusanek, die alle mit dem Schnitzler-Stipendium ausgezeichnet worden waren, aus ihren Texten lesen.
In dem Brief drückt Haushofer ihr Bedauern aus, Wolfgang Kraus bei dieser Gelegenheit nicht persönlich in Wien antreffen zu können. Sie habe ihm ihren Roman mitbringen wollen, über den sie schreibt: »Dieser Roman steht mir bis zum Hals u. wird mir schon ganz zuwider.«
Der Titel des Buches wird nicht genannt, aber es dürfte sich um ihr wohl bekanntestes Werk »Die Wand« handeln. Der Brief an Wolfgang Kraus wurde Anfang Mai 1962 gesendet; Haushofer begann Ende 1960 mit der Niederschrift des Romans, im Februar 1962 schrieb sie einem Brief an Freunde, die erste Niederschrift sei fertig und sie hoffe, den Text bis Anfang Mai fertigzustellen. (Quelle: Daniela Strigl, 2023: Nachwort. In »Die Wand«, verfasst von Marlen Haushofer, S. 299. Berlin: Claassen-Verlag)
Haushofer bittet Kraus außerdem darum, für die bevorstehende Lesung jemanden zu finden, der für sie liest – sie selbst habe noch nie gelesen und werde dies auch nie tun. Sie merkt an: »Ich glaube, sie kennen mich gut genug um zu wissen, dass das keine Faxen sind«. Im Antwortbrief der ÖGfL wird versprochen, ihrem Wunsch entgegenzukommen; es ist daher anzunehmen, dass Haushofer an diesem Abend nicht selbst las.
Abschließend kommentiert die Autorin ihren Brief so: »An meiner Schrift werden Sie sehen, wie demoralisierend das Schreiben von Romanen auf mich wirkt«. »Die Wand« erschien über ein Jahr später im Spätsommer 1963.
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©ÖGfL-Archiv -
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