Im Mai 2020 hat die Österreichische Gesellschaft für Literatur (ÖGfL) in Zusammenarbeit mit der IG Autorinnen Autoren einen Fragebogen ausgearbeitet, der an österreichische Autor*innen verschickt wurde. Darin wurden Fragen zum Einkommen aus literarischer Arbeit, zum Stellenwert literarischer Veranstaltungen und zu den unmittelbaren Folgen durch die aufgrund der Corona-Pandemie gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung gestellt.
Die Beteiligung war hoch: Innerhalb weniger Tage haben mehr als 270 österreichische Autor*innen geantwortet.
Da diese Antworten bereits Anfang Mai erfolgten, gelten die Ergebnisse für das heurige Frühjahr; Die Einkommenssituation für österreichische Autorinnen und Autoren, von denen eine beträchtliche Anzahl schon vor der Corona-Pandemie in prekären Verhältnissen gelebt hat, ist somit zumindest besorgniserregend. Zwar wurden viele der Honorarausfälle und anderen finanziellen Verluste mittlerweile durch bestehende Initiativen und Fonds ausgeglichen, es fallen aber weiterhin Einnahmequellen von Autor*innen gänzlich oder teilweise weg, Verlage verschieben Veröffentlichungen, Projekte finden nicht statt usw.. Vor allem ist die „Auftragslage“ für 2021 angesichts der Planungsunsicherheit und fehlender persönlicher Treffen innerhalb der Szene katastrophal.
Der Fragebogen basiert auf einer Initiative des Netzwerks mitSprache der österreichischen Häuser der Literatur, die gemeinsam mit der IG Autorinnen Autoren bereits 2016 eine ähnliche Umfrage durchgeführt hatten.
Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:
1) Die Bedeutung von Lesungen, Buchpräsentationen etc. für das Einkommen von Autor*innen ist immens: Für 32,7% machten Auftrittshonorare im Jahr 2019 mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus, für 53,6% ist es mehr als ein Viertel.
Der Ausfall von Auftrittsmöglichkeiten ist also ein großes ökonomisches Problem – ganz abgesehen von den anderen Faktoren, die mit Auftritten zusammenhängen, wie fehlenden Kontakten und Publikumsreaktionen oder den üblicherweise im Rahmen von Lesungen und Präsentationen zustande kommenden Folgeeinladungen, Übersetzungen, Aufträgen, etc.
Zahlreiche Autor*innen berichten, dass die Aufträge und Einladungen für 2021 weit unter den üblichen Zahlen liegen.
2) Im Zuge der COVID19-Maßnahmen sind im Frühjahr 2020 für über 80% der Autor*innen Auftritte ersatzlos ausgefallen, für fast 30% der Schreibenden waren es mehr als fünf, für 13% mehr als zehn geplante Veranstaltungen.
3) Einige Veranstalter haben im Frühjahr versucht, rasch Auftritte zu verschieben oder honorierte Ersatzangebote (Online-Lesungen, Lesungsvideos für das Internet usw.) anzubieten. Den allermeisten veranstaltenden Einrichtungen, darunter durch die Maßnahmen selbst schwer getroffene Wirtschaftsbetriebe, Buchhandlungen, Theater etc., war dies jedoch aus verschiedenen Gründen offenbar nicht möglich: Insgesamt wurde daher für mehr als drei Viertel der ausgefallenen Veranstaltungen keine honorierte Alternative gefunden.
4) Ausfallshonorare sind selten: Auch bedingt durch die oft unklare Rechtslage konnten viele Veranstalter nicht unmittelbar reagieren und Ausfallshonorare auszahlen. Das bedeutet, dass es im Frühjahr 2020 für fast 90 % der ausgefallenen Veranstaltungen zunächst keinerlei Honorar für die Autor*innen gab – dies konnte mittlerweile durch bestehende Initiativen und Fonds weitgehend ausgeglichen werden.
5) Dies alles, verbunden mit anderen Faktoren wie infolge der Krise schlechterem Buchabsatz, abgesagten Buchmessen und damit einhergehend entfallenen Lizenzverhandlungen, ausgefallenen Schreibschulen, Workshops usw. führt dazu, dass die Einkommenssituation bereits im ersten Halbjahr 2020 dramatisch war: Über 40% der Autor*innen haben weniger als 10% des erwarteten Einkommens aus Auftrittshonoraren verdient, mehr als 83% weniger als die Hälfte – bei gleichbleibenden Lebenshaltungs- und Fixkosten.
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 11. Dezember 2020