Gestern Abend fand die Abschlussveranstaltung des aktuellen Projekts des Netzwerks der österreichischen Häuser für Literatur ›mitSprache‹ statt, welches sich mit dem Thema »Soziale Gerechtigkeit« befasst. Dieses muss nicht zuletzt infolge der Entwicklungen der letzten Jahre wieder verstärkt zu einem gesellschaftspolitischen Anliegen werden.
Im Rahmen dieses Projekts haben das Literarische Quartier der Alten Schmiede, das Literaturhaus Wien und die Österreichische Gesellschaft für Literatur neun Autor*innen gebeten, sich in Texten und bei daran anschließenden Gesprächen mit diesem drängenden Themenfeld auseinanderzusetzen. Bei den Veranstaltungen in der Alten Schmiede und dem Literaturhaus Wien diskutierten Jopa Jotakin, Ilse Kilic und Andrea Stift-Laube über die Einkommenssituation von Autor*innen sowie Bettina Gärtner, Petra Ganglbauer und Sandra Gugic über Geschlechterdiskriminierung.
Bei der Veranstaltung in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur stand nun die Altersarmut im Fokus. Über dieses, wie Moderator Stefan Gmünder zu Beginn der Veranstaltung hervorhob, »wichtigste und versteckteste Thema« sprachen unter reger Beteiligung vonseiten des Publikums Verena Dürr, Andreas Renoldner und Cordula Simon, die ebenfalls aus ihren für das Projekt entstandenen Texten lasen.
Schnell wurde klar, wie sehr das Thema allen drei Autor*innen am Herzen liegt. Während Verena Dürr sich lange als Aktivistin im Notquartier engagierte, wo es kaum möglich ist, Rücksicht auf das Alter der Klient*innen zu nehmen, war die Pflegebedürftigkeit seiner eigenen Mutter für Andreas Renoldner der Auslöser, selbst als Teilzeitkraft in der mobilen Betreuung zu arbeiten. Cordula Simons Blick wiederum ist jener der Beobachterin, denn in ihrer Zeit als Stadtschreiberin von Gotha teilte sie den Hof mit einem Frauenzentrum und sah von ihrem Fenster aus die pensionierten Damen, die sich allmorgendlich hier trafen, »weil es nichts kostet hier zu sein und weil sie durchdrehen würden, säßen sie nur zu Hause.«
Die unterschiedlichen Berührungspunkte und Erfahrungen der drei Autor*innen mit dem Thema sind auch in ihre Texte eingeflossen, für welche sie verschiedene poetische Zugänge gewählt haben. Wechselt Andreas Renoldner in seinem Text 973,48 – der auch als Teaser zu seinem noch unveröffentlichten Romanpojekt zu dieser Thematik betrachtet werden kann – etwa die Perspektive zwischen Klient*innen und Betreuer*innen, stellt Cordula Simon in dem Text sowie dem dazugehörigen Kurzfilm Ich bin das Licht durch das Motiv der Drehbewegung den Stress, dem von Armut Betroffene ständig ausgesetzt sind, in den Mittelpunkt. Verena Dürrs Altersarmut – eine Zerlegung schließlich liest sich wie ein Manifest, in welchem die Autorin dazu auffordert, über die Kleinfamilie hinaus »den Widrigkeiten der Zeit gemeinsam zu begegnen und alternative Lebensmodelle für sich zu erkunden.«
Die Texte der drei Autor*innen werden in der Wochenendbeilage des ›Standard‹ veröffentlicht. Bereits erschienen ist der Text von Cordula Simon, der hier online nachgelesen werden kann. Darüber hinaus sind alle drei Texte – wie auch die Texte der Autor*innen, die sich mit den anderen Themenschwerpunkten beschäftigt haben – in einer Broschüre zu finden, die in den drei Wiener Häusern der Literatur aufliegt und gerne mit nach Hause genommen werden darf.
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 3. Februar 2023
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Stefan Gmünder ©ÖGfL -
Andreas Renoldner ©ÖGfL -
Cordula Simon ©ÖGfL -
Verena Dürr ©ÖGfL -
Verena Dürr und Stefan Gmünder ©ÖGfL -
Cordula Simon, Andreas Renoldner und Verena Dürr in der Literaturgesellschaft ©ÖGfL -
Cordula Simon und Andreas Renoldner ©ÖGfL