Manfred Chobot: »Projekte. Illustrierte Prosa« (Maro-Verl.),
Werner Kofler: »Vorgeschichte« (Hörspiel, ORF Burgenland)
(einleitende Worte: Reinhard Urbach)
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 17.12.1973
Manfred Chobot, geb. 1947, war nach einer erfolgreichen Jugendkarriere als Wettkampfschwimmer als freier Mitarbeiter des ORF tätig und trat zu Beginn der 70er Jahre erstmals als Schriftsteller in Erscheinung. Obwohl er seit nunmehr 50 Jahren in der österreichischen Literaturszene aktiv ist, etwa als Mitglied der ›Grazer Autorinnen Autorenversammlung‹, des Literaturkreises ›Podium‹, der ›IG-Autorinnen Autoren‹ und der europäischen Autorenvereinigung ›Kogge‹, als Redakteur bei verschiedenen Literaturzeitschriften oder von 1991 bis 2004 als Herausgeber der Reihe ›Lyrik aus Österreich‹, galt sein umfangreiches literarisches Werk lange Zeit als „heißer Geheimtip“ (Peter Henisch), welches vonseiten der Forschung erst in den letzten Jahren entdeckt worden ist.
Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass Manfred Chobot ein „Routinier der kleinen Form“ ist (Wolfgang Müller-Funk), dessen bisheriges literarisches Schaffen neben einem einzigen längeren Text, dem Roman »Reise nach Unterkralowitz« (Limbus, 2009), kurze Erzählungen, Gebrauchsprosa, Reportagen, Hörspiele, Satiren, Mundartgedichte, Reiseliteratur, avantgardistische Sprachspiele sowie Experimente mit Sinn und Buchstäblichkeit, mit Schrift und Bild umfasst. „Die österreichischen Buddenbrooks wären kein Projekt für ihn“, so Wolfgang Müller-Funk, „viel eher das, was so ungeheuer simpel klingt und vielleicht das Schwierigste ist: die knappe Sentenz, ein Einfall, ein Satz, der alles erhellt.“ Bemerkenswert ist auch, wie sehr die Texte des vielgereisten Autors im „Spannungsfeld des Lokalen und des Globalen“ (Zdeněk Mareček) oszillieren – verwurzelt einerseits im Wiener Dialekt und im Regionalen, etwa bei der Lyriksammlung »Kumm haam in mei Gossn« (Bibliothek der Provinz, 2000) oder den »Dorfgeschichten« (Bibliothek der Provinz, 1992), folgt Manfred Chobot andererseits in Werken wie »Maui fängt die Sonne. Mythen aus Hawaii« (Deuticke, 2001) oder den zuletzt erschienenen Reiseerzählungen »In 116 Tagen um die Welt« (Löcker, 2019) einem kosmopolitischen Weltkonzept in einer nicht örtlich gebundenen Sprache.
Werner Kofler (1947 – 2011), aufgewachsen in Kärnten, war ab etwa 1968 als freiberuflicher Schriftsteller tätig und verfasste Prosa, Hörbücher und Drehbücher. In seinen Werken – hervorzuheben wären etwa die Erzählung »Guggile: vom Bravsein und vom Schweinigeln« (Wagenbach, 1975), der experimentelle Kriminalroman »Konkurrenz« (Medusa, 1984), die Schimpftirade »Manker. Invention« (Deuticke, 1999), sein einziges Theaterstück »Tanzcafé Treblinka« (2001, im Auftrag des Stadttheaters Klagenfurt) oder die 2005 als Trilogie »Triptychon« neu aufgelegten Prosastücke »Am Schreibtisch« (Rowohlt, 1988), »Hotel Mordschein« (Rowohlt, 1989) und »Der Hirte auf dem Felsen« (Rowohlt, 1991) – übte er Kritik am Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs, an Scheinheiligkeit, Karrierismus, Unehrlichkeit und Geschäftstüchtigkeit im Generellen sowie an den Medien und dem seiner Meinung nach korrupten Literatur- und Kulturbetrieb, von dem er sich weitgehend fernzuhalten versuchte – sofern er nicht gerade durch eine Fehde mit einer anderen Person des öffentlichen Interesses die Aufmerksam auf sich zog.
Nicht ohne Weiteres wurde der als unangepasst, politisch unkorrekt und ausfällig geltende Autor nach dem Tod Thomas Bernhards als „der wortgewaltigste Prosaist Österreichs und als schärfster und untergriffigster Satiriker des Landes“ bezeichnet (Klaus Amann). Die Mittel, derer sich Werner Kofler für seine satirischen Texte bediente, sind die der Montage und des Zitats, wobei authentisches und erfundenes Material so miteinander verwoben werden, dass die Grenzen zwischen Realität und Fiktion nicht mehr erkennbar sind: „Das Erfundene erweist sich“, so Amann, „da nicht selten als das Authentische, das Authentische aber als etwas, das nicht besser erfunden werden könnte.“
Werner Kofler trat zwischen 1973 und 1985 fünfmal in der Gesellschaft für Literatur auf; Manfred Chobot war bislang 20 Mal bei verschiedensten Veranstaltungen zu Gast, zuletzt im September 2019.
Die Lesung im Dezember 1973 war für beide der erste Auftritt bei einer ÖGfL-Veranstaltung. Eigentlich waren sie im Rahmen der ›Edition Literaturproduzenten‹ des Verlags für Jugend und Volk eingeladen worden, wo Chobots Erstlingswerk »Neue Autoren I« sowie Koflers »Analog Comics« erschienen waren. Da jedoch, wie Reinhard Urbach einleitend feststellte, die erwarteten VerlagsvertreterInnen mitsamt der am Büchertisch zu verkaufenden Exemplare der Veranstaltung ferngeblieben waren, wurde spontan umdisponiert: Manfred Chobot las aus seinem zweiten Prosaband »Projekte«, während Werner Kofler aus seinem wenige Tage zuvor im ORF ausgestrahlten Hörspiel »Vorgeschichte« vortrug.