Theodor W. Adorno: »Funktionalismus heute«
ÖGfL-Veranstaltung im Großen Saal des Palais Palffy in Wien, 18. Mai 1966
Theodor W. Adorno (1903-1969) war Musiktheoretiker, Komponist, Soziologe und Philosoph.
Als Theodor Ludwig Wiesengrund in eine wohlhabende Familie geboren, kommt der junge ›Teddie‹ durch seine Mutter Maria Calvelli-Adorno und ihre Schwester Agathe Calvelli-Adorno früh in Berührung mit klassischer Musik. Während seiner Schulzeit nimmt diese Beschäftigung zu und er nimmt Kompositionsunterricht bei Bernhard Sekles.
Mit 17 Jahren – er hat zwei Klassen übersprungen – schließt er das Abitur als Jahrgangsbester ab. Er wird Student der Philosophie, Musikwissenschaften, Psychologie und Soziologie an der Universität Frankfurt am Main. In dieser Zeit schließt er Freundschaften mit Max Horkheimer und Walter Benjamin. Neben seinen Studien engagiert er sich im Kulturbetrieb: Seit 1922 schreibt er als Musikkritiker in der Zeitschrift ›Neue Blätter für Kunst und Literatur‹ und kurz darauf wird seine erste Komposition uraufgeführt. Das 1921 begonnene Studium schließt er nur drei Jahre später bereits erfolgreich ab. Er promoviert über »Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie«.
Nach seinen Studien zur transzendentalen Erkenntnistheorie führt ihn sein Wissensdrang in die Stadt der Musik: Wien. Hier hat er in den Jahren 1925 und 1926 mehrere längere Aufenthalte und studiert Musiktheorie und Komposition bei Arnold Schönberg und dessen Schüler Alban Berg – daneben nimmt er Klavierunterricht beim Komponisten und Pianisten Eduard Steuermann. Seine Affinität zu Schönbergs Zwölftonmusik findet Eingang in Adornos 1949 erschienenem musikphilosophischen Hauptwerk »Philosophie der neuen Musik«. In Wien besucht er auch Vorlesungen des Schriftstellers und Kulturkritikers Karl Kraus, trifft auf den Literaturwissenschaftler und Philosophen Georg Lukács und schließt Freundschaft mit dem Prager Schriftsteller Hermann Grab.
Zurück in Frankfurt will sich Adorno 1927 mit seiner Arbeit »Der Begriff des Unbewussten in der transzendentalen Seelenlehre« bei Hans Cornelius habilitieren. Cornelius sieht mangelnde Originalität in den Ausführungen, äußert Bedenken – Adorno zieht die Habilitationsschrift zurück. Trotz dieses Rückschlags bleibt Adorno produktiv.
Er komponiert und schreibt musikkritische Texte und unternimmt mehrere Reisen nach Berlin, wo er mit KünstlerInnenkreisen in Kontakt kommt. Hier schließt er auch Bekanntschaften mit Bertolt Brecht, Ernst Bloch und Kurt Weil. Außerdem wird er ab 1929 Redakteur der Wiener Avantgarde-Zeitschrift ›Anbruch. Österreichische Zeitschrift für Musik‹.
Mit Aussicht auf einen Lehrstuhl für Philosophie verfasst Adorno innerhalb eines Jahres eine zweite Habilitation zum dänischen Philosophen Søren Kierkegaard. Dieses Mal ist er erfolgreich: 1931 habilitiert sich Adorno bei dem evangelischen Theologen Paul Tillich mit der Arbeit »Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen«. Fortan lehrt er als Privatdozent für Philosophie. Allerdings wird ihm bereits 1933, infolge der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, die Lehrbefugnis aus »rassischen« Gründen entzogen.
Er flüchtet ins Exil nach London, dann nach Oxford. Dort arbeitet Adorno als Advanced Student Instructor am Merton Collge. Daneben versucht er sich an einer Ph.D-Schrift über phänomologische Antinomien.
Nach seiner Heirat mit Gretel Karplus emigrieren die beiden nach New York. Dort ist Adorno von 1938-1941 als Mitglied des Instituts für Sozialforschung tätig; von 1944 bis 1949 leitet er als Direktor das ›Research Project on Social Discrimination‹ in Los Angeles. In dieser Zeit erscheint auch seine, gemeinsam mit Horkheimer verfasste, bekannteste Schrift: »Dialektik der Aufklärung« (1944). In der »Dialektik« – die erst 1969 in Deutschland erscheint – arbeiten sich Adorno und Horkheimer an der Frage ab, »warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt.«
Adorno kehrt 1949 zurück nach Deutschland und wird außerplanmäßiger Professor für Sozialphilosophie, später Ordinarius für Soziologie und Philosophie an der Universität Frankfurt. Außerdem leitet er gemeinsam mit Horkheimer das erneut eingerichtete Institut für Sozialforschung. Zusammen mit Herbert Marcuse und Horkheimer wird er zum Hauptvertreter der ›Frankfurter Schule‹ und entwickelt gemeinsam mit ihnen die ›Kritische Theorie‹: Eine Verknüpfung der Gedanken von Hegel, Marx und Freud.
In ihrer Kritik bekämpft die Frankfurter Schule sowohl die bürgerliche Ideologie der westlichen Nachkriegsgesellschaften als auch die revolutionär-gewaltsamen Bestrebungen mancher Studierender der 68er-Bewegung – was den neomarxistischen Denker Adorno auch innerhalb des linken Spektrums in Bedrängnis bringt.
Der umtriebige Kulturkritiker stirbt 1969 während eines Ferienaufenthaltes in der Schweiz an Herzversagen. Als Moralist appellierte Adorno inständig an die Vernunft und den Widerstand der Einzelnen. An einer Stelle der »Dialektik der Aufklärung« erklärte er dazu:
»Die rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung zwingt das Denken dazu, sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten.«
Adorno hat 1964 in der ÖGfL zum ersten Mal den noch ungedruckten »Jargon der Eigentlichkeit« (1964) vorgetragen. Bei diesem Auftritt in Wien musste die Polizei die Hofburg sperren, weil der Redoutensaal viel zu klein war für den Andrang des Publikums.
In der Literaturgesellschaft trat er zwischen 1963 und 1966 dreimal auf.
Am 18. Mai 1966 sprach Adorno über die Ästhetik in der Kunst, Musik und Architektur und über Technik, Material und Funktionszusammenhänge.