Elias Canetti liest sein Drama »Hochzeit« (Hanser)
ÖGfL-Veranstaltung im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses, 12. März 1969
Vorgespräch mit Reinhard Urbach
Erster Teil der Lesung
Zweiter Teil der Lesung
Elias Canetti (1905 – 1994), der 1981 den Nobelpreis für Literatur erhielt, ist vor allem für seinen Roman »Die Blendung« (1936), seine dreibändige Autobiografie (»Die gerettete Zunge«, 1977; »Die Fackel im Ohr«, 1980; »Das Augenspiel«, 1985) und sein philosophisches Werk »Masse und Macht« (1960), an dem er jahrzehntelang schrieb, berühmt. Da es unmöglich ist, auf diese ebenso beeindruckende wie komplexe Persönlichkeit in ein paar Sätzen einzugehen, sei auf ein großartiges, ausführliches Interview verwiesen, das André Müller im Dezember 1971 mit Canetti geführt hat.
»Hochzeit«, Canettis erstes Theaterstück, ist 1931 – 1932 entstanden, wurde erst 1965 in Braunschweig uraufgeführt und löste einen Theaterskandal aus. Er selbst sagte zu seinem apokalyptischen Drama: »Die Sprache der Menschen in diesem Stück ist so, dass sie Verwirrung jeder Art ausdrückt, dass eine Figur nicht wirklich versteht, was die andere meint, jede nur sich selbst ausdrückt … Es ist so, wie wenn Menschen in fremden Sprachen zueinander sprechen würden – ohne sie zu kennen; nur glauben sie, dass sie die Sprache kennen, wodurch eine neue Dimension des Nichtverstehens entsteht.«
Canetti als Leser seiner Theaterstücke ist ein Erlebnis: In einem heute kaum mehr zu findenden wienerischen Deutsch der Zwischenkriegszeit versucht er, vom jahrelangen Besuch von Karl Kraus‘ Fackel-Lesungen geschult, in Tonfall und Stimmlage seine Figuren lesend zu »spielen«, zeitweise an einen Stimmenimitator erinnernd.
In der Literaturgesellschaft trat er zwischen 1963 und 1981 zwölfmal auf. Am 12. März 1981 trug er im Wiener Konzerthaus in einer langen, mehr als zweistündigen Lesung einen Großteil des Stücks vor. Davor gab er in einem kurzen Gespräch mit Reinhard Urbach, mit dem ihn eine lange Freundschaft verband, Auskunft über sein Drama.