Briefe an den Vater
Der 36. Tag, den Kafka in Kierling verbringt, ist warm – es hat bis zu 24 Grad – und trocken.
Kafkas Verhältnis zu seinem Vater war stets ambivalent. In seinem berühmten »Brief an den Vater« entwirft er diesen als tyrannisches Feindbild und auch in einer Schilderung an Felice Bauers Vater wird eine distanzierte familiäre Situation dargestellt. Die Briefe aus dem Sanatorium skizzieren ein gegensätzliches, vertrauteres Bild. Dora Diamant wird in ihren späteren Erinnerungen auf die zerrissene Vater-Sohn-Beziehung hinweisen:
Die Rückkehr ins Elternhaus bedeutete für ihn die Rückkehr zum Lebensdilettantismus. Das quälte Kafka vor allem; man konnte es an der seelischen Bedrückung sehen, die ihn überkam. Ich blieb in Berlin. Kafka wollte nicht, dass ich in das Haus käme, aus dem all sein Unglück entsprungen war. Der Hass auf seinen Vater und das Schuldgefühl wegen dieses Hasses war ein Teil seines Gesamtkomplexes. Ich bin überzeugt, dass er ihn so manches mal in seinen Träumen umgebracht hat.
Aus: Hans Gerd-Koch (Hg.): »Als Kafka mir entgegenkam« (2013), S. 203 f.
Ein Podcast in 53 Folgen der Österreichischen Franz Kranz Kafka-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, gefördert vom Land Niederösterreich.
Sprecher*innen:
Franz Kafka: Robert Stadlober
Dora Diamant: Julia Franz Richter
Erzähler: Nikolaus Kinsky
Studio: medienwerk.at