Im April 1990 veranstaltete die Literaturgesellschaft gemeinsam mit der Österreichischen Nationalbibliothek, dem Franz-Werfel-Komitee und dem Wissenschaftsministerium anlässlich des 100. Geburtstags von Franz Werfel (1890-1945) ein dreitägiges Symposion in Wien. So reisten Wissenschaftler*innen aus Österreich, Tschechien, Deutschland, Frankreich, England, Slowenien, Armenien und den USA an, um über Franz Werfels Leben, Werk und Wirkung zu diskutieren. Beispielsweise sprach der Theaterwissenschaftler Martin Esslin (1918-2002) über Franz Werfel als Dramatiker, der Schriftsteller und Werfel-Biograf Peter Stephan Jungk analysierte in seinem Vortrag Alma Mahler-Werfels Einfluss und Wirkung auf den Autor und der Literaturwissenschaftler Egon Schwarz (1922-2017) betrachtete die sozio-psychologische Komponente in Franz Werfels Judenbild, um nur einige der Vortragenden zu nennen.
Dass es sich bei Franz Werfel um eine persönlich und literarisch kontroverse Figur handelte, wird nicht nur durch die unterschiedlichen Vorträge der Wissenschaftler*innen deutlich, sondern auch durch zahlreiche Zeitungsartikel im In- und Ausland, die über das Symposion berichteten.
So schrieb etwa Alexandra Auer in ›Die Presse‹:
»Schon von seinen Zeitgenossen war der 1890 als Sohn eines deutschsprachigen jüdischen Fabrikanten in Prag geborene Autor höchst unterschiedlich beurteilt worden, als Mensch wie als Schriftsteller.«
(Alexandra Auer, In: Die Presse, 27. April 1990; ÖGfL-Archiv)
Kritisiert wurde seine politische Haltung, sein Schwanken zwischen Christentum und Judentum und vor allem auch seine Ehe mit Alma Mahler, die durch antisemitische Äußerungen auffiel. Literarisch von Franz Kafka bewundert und von Robert Musil verachtet, ist auch hier eine große Uneinigkeit erkennbar.
Im Rahmen der Werfel-Tagung wurde am zweiten Symposionstag, am 24. April, in der Elisabethstraße 22, 1010 Wien eine aus Marmor gefertigte Gedenktafel zu Ehren Franz Werfels feierlich enthüllt. In diesem Haus hatte der Autor von 1918 bis 1932 gelebt.
Die Gedenktafel wurde von der ÖGfL gemeinsam mit ›Austria Versicherungen‹ gestiftet.
Wie aus einem Brief der ÖGfL-Mitarbeiterin Hella Bronold an Werfels Herausgeber, Kritiker und langjährigen Freund Adolf D. Klarmann aus dem Jahr 1968 zu entnehmen ist, hatte die Literaturgesellschaft zuvor bereits viele Jahre lang versucht, eine Gedenktafel an Franz Werfels Wohnhaus auf der Hohen Warte anzubringen. Jedoch ohne Erfolg.
»Wie Sie vielleicht wissen, haben wir seit Jahren beabsichtigt, eine Gedenktafel am Werfel-Haus auf der Hohen Warte anzubringen. Durch verschiedene interne Schwierigkeiten wurde dieser Plan unglücklicherweise immer wieder verschoben und nun habe ich eben mit Schrecken gelesen, daß das Haus von der Saudiarabischen Botschaft als Wohnsitz angekauft wurde.«
(Hella Bronold an Adolf D. Klarmann, Brief vom 15. März 1968; ÖGfL-Archiv)
Welche Bedeutung Franz Werfel in der österreichischen, aber auch der internationalen Literatur einnimmt, bezeugt nicht nur die Anwesenheit zahlreicher bekannter österreichischer Persönlichkeiten, sondern auch die Anreise des stellvertretenden Ministerpräsidenten Armeniens für die Feierlichkeiten im Jahr 1990.
»An vorderster Stelle der Werfel-Freunde: die Armenier, für die der Prager Dichter der Nationalheros schlechthin war und ist. Jüngstes Beispiel dafür war, daß bei der Enthüllung einer Gedenktafel in der Wiener Elisabethstraße extra der stellvertretende Ministerpräsident angereist kam. Ganz im Sinn armenischer Dankbarkeit sang Medeji Piroumova aus Jerewan dem Verfasser der ›Vierzig Tage des Musa Dagh‹ das hohe Lied der Verehrung. Mit seinem Roman über den türkischen Völkermord an den Armeniern im Jahre 1915 habe er dem viel geplagten Volk eine Selbstgewißheit gegeben, der die Unterdrückung nichts anhaben kann.«
(Alfred Pfoser, In: Salzburger Nachrichten 30. April 1990; ÖGfL-Archiv)
Ebenfalls im Jahr 1990 wurde noch eine zweite Gedenktafel zu Ehren Franz Werfels von der Literaturgesellschaft gestiftet. In seiner Geburtsstadt Prag ist sie an jenem Haus befestigt, in dem der Autor von 1903 bis 1912 gewohnt hatte: Opetalová 41, Prag, Tschechien.
Franz Werfel veröffentlichte bereits während seiner Schulzeit erste Gedichte und hinterließ nach seinem Tod ein umfangreiches literarisches Werk. Neben Romanen (u.a. »Verdi. Roman der Oper« (1924); »Das Lied von Bernadette« (1941)) und Theaterstücken (u.a. »Bockgesang« (19219; »Juarez und Maximilian« (1925)), für die er in den 1920er und -30er Jahren vor allem bekannt wurde, enthält sein Œuvre auch Lyrik (u.a. »Der Weltfreund« (1911); »Beschwörungen« (1923)), Libretti, szenische Fragmente sowie Erzählungen und Novellen (u.a. »Der Tod des Kleinbürgers« (1927); »Weißenstein, der Weltverbesserer« (1939).