Für den weltberühmten Autor Franz Kafka (1883-1924) ließ die Österreichische Gesellschaft für Literatur gleich zwei Gedenktafeln anbringen. Die erste wurde im Jahr 1963 an seinem Sterbehaus in Kierling, Stadtgemeinde Klosterneuburg, angebracht. Schon ein Jahr später – anlässlich seines 40. Todestages – wurde eine zweite Tafel am Graben Hotel in der Dorotheergasse 3 im 1. Wiener Gemeindebezirk befestigt.
Diese wurde am 29. Mai 1964 enthüllt; Worte des Gedenkens wurden von dem Schriftsteller und Dramatiker Franz Theodor Csokor gesprochen. Wie dem Archiv zu entnehmen ist, wurden im Gegensatz zu anderen feierlichen Enthüllungen von Gedenktafeln dieses Mal nur an offizielle Stellen und die Presse Einladungen ausgesandt, nicht an die breite Öffentlichkeit, da der Platz in der schmalen Gasse zu eng war.
Die Idee, eine Gedenktafel für Kafka in Wien anzubringen, entstand schon, bevor man eine entsprechende Örtlichkeit gefunden hatte. Wolfgang Kraus, der langjährige Präsident der Gesellschaft für Literatur, fragte direkt bei einer der verlässlichsten Quellen nach: Max Brod, dessen Name auch auf der Gedenktafel genannt wird.
»Nun hätte ich in diesem Zusammenhang noch eine Frage, die Sie, sehr verehrter Herr Doktor, mir sicher rascher und genauer als alle anderen beantworten können: in welchen Häusern hat Franz Kafka in Wien gewohnt? Unsere „Gesellschaft“ hat an seinem Sterbehaus in Kierling eine Gedenktafel anbringen lassen und wir würden gern eine weitere in Wien anbringen.«
(Wolfgang Kraus an Max Brod, Brief vom 21. Februar 1964, ÖGfL-Archiv)
Kraus stand zu diesem Zeitpunkt mit in Kontakt mit Brod, den er zu einem Vortragin der Literaturgesellschaft eingeladen hatte. Die Veranstaltung sollte im darauffolgenden Herbst stattfinden und ein großer Erfolg werden. Am 6. Oktober sprach Max Brod über »Die Prager Literatur des Jahrhundertanfangs und Franz Kafka«. Aus Platzmangel konnten 400 Interessierte den bereits überfüllten Redoutensaal in der Wiener Hofburg nicht betreten. Daraufhin sperrte die Polizei den Zugang.
Als Antwort erhielt er die Information, dass Kafka Brods Wissen nach nur zwei Mal in Wien gewesen war, in den Jahren 1913 und 1920:
»Wo er gewohnt hat, weiss ich nicht. Da er aber bei seinen Reisen gewöhnlich meinem Beispiel gefolgt ist und da ich in Wien nie anderswo als (zu Ehren Altenbergs) im Grabenhotel gewohnt habe, könnte vielleicht eine Anfrage in diesem Hotel ergeben, ob Kafka dort logiert hat.«
(Max Brod an Wolfgang Kraus, Brief vom 26. Februar 1964, ÖGfL-Archiv)
Hier wird auch der drittgenannte auf der Tafel erwähnt. Peter Altenberg bewohnte in seinen letzten sechs Lebensjahre ein Zimmer im Grabenhotel in der Dorotheergasse. Noch heute kann der Schreibtisch Altenbergs in dem nach ihm benannten Salon besucht werden.
Die hier im Originalzustand 1963 abgebildete Tafel am Sterbehaus Franz Kafkas, dem ehemaligen Sanatorium Hoffmann, ist auch heute noch von der Straße aus zu sehen.
Im Jahre 1983, anlässlich des 100. Geburtstages von Franz Kafka, wurde im Haus des Sanatoriums durch die Franz-Kafka-Gesellschaft eine Gedenkstätte eröffnet, in der sich Erinnerungsstücke an Kafkas letzte Lebensjahre befinden, darunter zahlreiche Fotodokumente, Briefe und Karten (Faksimile) aus den letzten Monaten vor seinem Tod sowie eine frei benutzbarer Bibliothek mit Kafkas Werken, Sekundärliteratur und Übersetzungen.
Den Gedenkraum der Franz Kafka Gesellschaft können Sie an den OPEN DOOR Tagen besuchen, hier finden Sie die nächsten Termine: https://www.franzkafka.at/home/open-door
Zu den Autoren:
Franz Kafka (1883–1924) war einer der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Das Urteil« (1913), »Die Verwandlung« (1915), »Das Schloss« (1926) und »Der Prozess« (1925). Viele Werke erschienen posthum, Herausgeber war Max Brod (1884–1968), sein langjährige Freund und Nachlassverwalter. Brod war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Theater- und Musikkritiker mit österreichischer, tschechoslowakischer und israelischer Staatsbürgerschaft. Er verließ 1939 die Tschechoslowakei und emigrierte nach Tel Aviv, wo er bis zu seinem Tod als Dramaturg am israelischen Nationaltheater tätig war. Zu seinen erfolgreichsten Schriften zählen die Romane »Tycho Brahes Weg zu Gott« (1915) und »Rëubeni, Fürst der Juden« (1925).
Peter Altenberg (1859-1919), eigentlich Richard Engländer, war Schriftsteller und ist v.a. durch seine exzentrische Lebensführung sowie als Kaffeehausliterat bekannt. Er veröffentlichte Prosatexte, Aphorismen, Betrachtungen, literarische Skizzen und Kabaretts. Zu seinen Werken gehören u.a. »Wie ich es sehe« (1896), »Märchen des Lebens« (1908) und »Vita ipsa« (1918).