
Der gestrige Abend war dem Schriftsteller und Übersetzer Hans Flesch Brunningen gewidmet. Zu Gast waren Evelyne Polt-Heinzl und Wolfgang Straub, die zwei seiner Werke, die beiden Romane »Perlen und schwarze Tränen« (hg. von Evelyne Polt-Heinzl, 2020) sowie »Maskerade« (hg. von Wolfgang Straub, übersetzt von Alexander Pechmann, 2023), im Verlag Edition Atelier neu herausgegeben bzw. im Fall von »Maskerade« erstmals in deutscher Sprache herausgegeben haben.
Als einen Autor, der »immer wieder neu entdeckt werden muss, so scheint es«, bezeichnete Manfred Müller den Autor einführend, denn schon 1980 gab es mit der Neuauflage von »Perlen und schwarze Tränen«, welche Hans Flesch Brunningen damals noch selbst in der Literaturgesellschaft präsentierte, eine kleine Wiederentdeckung. Danach geriet er jedoch vollkommen in Vergessenheit, jahrzehntelang gab es auf dem Buchmarkt keine Werke von ihm zu kaufen.
Wie im Gespräch deutlich wurde, waren die Gründe dafür, dass der Schriftsteller sich nie so sehr ins kollektive literarische Gedächtnis einschreiben konnte, mannigfaltig. Flesch Brunningen, der sehr früh ins Exil gegangen und lange im Exil geblieben war, hatte nach seiner Rückkehr nach Österreich Probleme, an seine frühen Erfolge anzuschließen – ein Schicksal, das er, so Evelyne Polt-Heinzl, mit vielen Remigrant*innen teilte. Hinzu kommt, dass sein Exilroman »Perlen und schwarze Tränen« 1948 erschien, zu einer »Unzeit«, als niemand über diese Themen lesen wollte – und auch die Neuauflage war »genau 6 Jahre zu bald«, denn der Beginn der Aufarbeitung der NS-Zeit in der Literatur habe, wie die Literaturwissenschaftlerin ausführte, erst 1986 mit der Waldheim-Debatte eingesetzt.
Eine weitere Schwierigkeit in der Rezeption von Flesch Brunningens Schaffen liege in seinem Sprachwechsel ins Englische: »Perlen und schwarze Tränen«, der London-Roman schlechthin, sei auf Deutsch – und nur auf Deutsch – erschienen, nachdem Flesch Brunningen den Roman selbst übersetzt hatte, »Maskerade« sowie ein weiterer Exilroman, dessen Herausgabe noch zu leisten sei, jedoch bis jetzt nur auf Englisch.
»Dieser fehlende Transfer zwischen dem Exilland bzw. der literarischen Landschaft des Exils und der literarischen Landschaft der Heimat ist natürlich keine Seltenheit. Das ist ein Problem, mit dem sehr viele Exilautorinnen und -autoren zu kämpfen hatten und haben.«
Evelyne Polt-Heinzl
Zwar war es Flesch Brunningen gelungen, einige Romane, teils unter Pseudonym, auf Englisch zu publizieren – und musste dies, wie Wolfgang Straub ausführte, auch schlicht, um Geld zu verdienen -, sich in die Literaturlandschaft des Gastlandes einzuschreiben, sei allerdings kaum Exilant*innen gelungen.
Als spannend erwies sich auch die Vielseitigkeit von Flesch Brunningens Schaffen. Wie nicht nur das Gespräch, sondern auch die von den beiden Herausgeber*innen gelesenen Romanpassagen deutlich machten, könnten die beiden gestern präsentierten Romane kaum unterschiedlicher sein: Während es sich bei dem Exilroman »Perlen und schwarze Tränen« um ein surreales Werk handelt, welches sich um die Erlebnisse eines Tages dreht und damit an James Joyces »Ulysses« erinnert, ist »Maskerade« eine Mischung aus Unterhaltungsroman, Fluchtgeschichte und Spionagethriller, dem es, so Wolfgang Straub, gelinge, »die drei zentraleuropäischen Faschismen vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 zu vereinen«.
Das Getränk des Romans, welches in »Maskerade« häufig von den Protagonist*innen getrunken wird, ist der Americano. Und auch in der Literaturgesellschaft konnte dieser Cocktail dann im Anschluss an die Veranstaltung verkostet werden.
Moderation und Gespräch: Manfred Müller
Österreichische Gesellschaft für Literatur, 10. Mai 2023
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Wolfgang Straub, Evelyne Polt-Heinzl und Manfred Müller ©ÖGfL -
Hans Flesch Brunningen: »Perlen und schwarze Tränen« (hg. von Evelyne Polt-Heinzl, 2020) und »Maskerade« (hg. von Wolfgang Straub, übersetzt von Alexander Pechmann, 2023) ©ÖGfL -
Wolfgang Straub und Evelyn Polt-Heinzl ©ÖGfL -
Wolfgang Straub ©ÖGfL -
Manfred Müller ©ÖGfL -
Wolfgang Straub, Evelyne Polt-Heinzl und Manfred Müller ©ÖGfL -
Evelyne Polt-Heinzl ©ÖGfL -
Evelyne Polt-Heinzl ©ÖGfL