gefunden von Max Holzbauer im Rahmen seines Praktikums in der ÖGfL:
Thomas Bernhard war Zeit seines Lebens ein Mensch, ein Schriftsteller, ein Dramatiker, der Kontroversen verursachte, der polarisierte, der empörte. Und auch wenn der Aufschrei der öffentlichen Gesellschaft aufgrund dieses Eklats womöglich nicht der größte von ihm ausgelöste war – man denke an die Premiere seines Stücks »Heldenplatz« 1988 – ist dieser Archivfund dennoch nennenswert. Denn durch ihn ist es nicht nur möglich einen Einblick in die Korrespondenzen und so hinter die Kulissen dieses Vorfalls zu erhaschen, sondern man erkennt ebenfalls, wie es Bernhard zu Stande gebracht hat, mit einer den Staat Österreich und seine Bevölkerung vermeintlich diffamierenden Rede seine eigene Preisverleihung zu vereiteln und wie im Hintergrund darüber gedacht und verhandelt wurde.
Konkret handelt es sich um die Absage der Verleihung des ›Anton-Wildgans-Preises‹ im Jahre 1968 am 21. März. Der ›Anton-Wildgans-Preis‹ ist eine literarische Auszeichnung, die seit 1962 an österreichische AutorInnen von der Industriellen Vereinigung Österreichs verliehen wird und eben 1967 an Thomas Bernhard ging und ihm im März des folgenden Jahres offiziell überreicht werden hätte sollen. In der damaligen Jury saßen auch der Gründer der ÖGfL Wolfgang Kraus, Gerhard Fritsch und Hilde Spiel, die jeweils zu diesem Eklat Stellung bezogen.
Vorausgegangen war der Absage die Verleihung des ›österreichischen Staatspreises für Romane‹ im Unterrichtsministerium am 4. März desselben Jahres unter der Anwesenheit des damaligen ›Bundesministers für Unterricht‹ Dr. Theodor Piffl-Percevic. Hier sollte Bernhard, dem dieser Preis ebenfalls verliehen wurde, eine defätistische Rede halten, in der die österreichische Bevölkerung als apathisch und grundsätzlich schlecht skizziert wurde. Daraufhin und sicherlich nicht ohne Zutun des sich empört zeigenden Bundesministers wurde die für den 21. März geplante festliche Überreichung des ›Anton-Wildgans-Preises‹ abgesagt. So erhielt Bernhard seinen Preis lediglich postalisch.
Die Archivbestände der ÖGfL haben sich in diesem Kontext als sehr ergiebig erwiesen. So gelang es mir Folgendes zu finden: Einen Rechtfertigungs- bzw. Besänftigungsversuch herangetragen an Piffl-Percevic von Hilde Spiel, die Korrespondenz zwischen Herrn Kraus und Herrn Fritsch mit dem Präsidenten der Industriellen Vereinigung und die alles auslösende Rede Bernhards zu seinem Erhalten des Staatspreises.
Zum einen ist es bereits grundsätzlich sehr spannend Themen und Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit der österreichischen Literaturgeschichte aufzugreifen – vor allem, wenn diese hochgradig kontroversiell sind und auch helfen zu verstehen, wie Thomas Bernhards Attribuierung als Skandalautor und Nestbeschmutzer entstanden ist. Zum anderen gibt dieser Blick hinter die Kulissen weiteren Aufschluss darüber, wie die einzelnen Beteiligten dazu Position bezogen haben und wie Bernhard innerhalb des Literaturbetriebs wahrgenommen wurde.
Dargestellt ist deshalb eine Auswahl der oben genannten Dokumente. Genauer, die Rede Bernhards, die alles erst ins Rollen brachte und der Brief an den Präsidenten der Industriellen Vereinigung von Wolfgang Kraus und Gerhard Fritsch nach dem Bekanntwerden der Absage der Preisverleihung.
- Brief von Wolfgang Kraus und Gerhard Fritsch an Dr. Josef Mayer-Gunthof (damaliger Präsident der Industriellen Vereinigung)
- Rede Thomas Bernhards zum Erhalten des ›österreichischen Staatspreises für Romane‹