Entdeckt von Anja Stix im Rahmen ihres Praktikums in der ÖGfL.
»Für einen Preis erscheint mir diese Aufführung absolut ungeeignet.«
Während meines Praktikums in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur durfte ich das Archiv durchstöbern und bin dabei unter anderem auf das Gutachten von Wolfgang Kraus gestoßen. Da ich mich für meine Masterarbeit mit dem Dramatiker Max Zweig auseinandersetzte, war mein Interesse sofort geweckt.
1963 verfasst Wolfgang Kraus das Jury-Gutachten über die Uraufführung des Dramas »Franziskus« des jüdisch-deutschen Autors Max Zweig (1892-1992). Trotz der hochkarätigen Besetzung (Josef Meinrad, Erika Pluhar, Gerhard Geisler, Lotte Tobisch und andere), der Inszenierung Josef Gielens (ehemaliger Direktor des Wiener Burgtheaters und ehemaliger Oberspielleiter der Wiener Staatsoper) und der Regie Helmuth Schwarzs (Direktor des Max Reinhardt Seminars, später Rektor der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) bezeichnet Kraus die Aufführung als »eine einzige grosse Verlegenheit. « Kraus gesteht Zweig zu, ein »hochinteressantes Thema« gewählt zu haben, kritisiert jedoch die Gestaltung und wirft dem Autor Sentimentalität vor. Die Kritik Kraus‘ bezieht sich aber nicht nur auf den Autor, sondern auch auf die Inszenierung und die Schauspielerinnen und Schauspieler. Dem Darsteller des Franziskus, Josef Meinrad, wirft er vor, »viel zu grell, zu laut“ zu sein. Wolfgang Kraus findet klare Worte: »Für einen Preis erscheint mir diese Aufführung absolut ungeeignet.«
Somit konnte Max Zweig an seinen Erfolg von 1957, dem 2. Preis beim Dramenwettbewerb der Bregenzer Festspiele (1. Preis ging an Reinhold Schneiders Drama »Der große Verzicht«), mit seinem Stück »Franziskus« nicht anschließen. Das Drama wurde trotzdem unter anderem auch im Wiener Burgtheater aufgeführt und vom ORF als Hörspiel produziert und ausgestrahlt.