gefunden von Matthias Untersweg im Rahmen seines Praktikums in der ÖGfL:
Dass allerhand Gäste aus dem osteuropäischen Raum immer wieder die Österreichische Gesellschaft für Literatur besucht haben, ist bekannt und wie auch nicht, immerhin war dies eines der von Wolfgang Kraus am Eröffnungsabend formulierten und als solches vorgegebenen Ziele der ÖGfL. Aber auch Gäste aus anderer Herren und Frauen Länder haben hier Station gemacht, der Amerikaner mit Landsitz in Österreich W. H. Auden etwa, der Chilene Roberto Bolaño, der Niederländer Cees Nooteboom, in jüngerer Vergangenheit die Italienerin Dacia Maraini und nicht zuletzt eine Reihe namhafter französischsprachiger Autor*innen, denen ich diesen kleinen Beitrag widmen möchte.
Bonjour sagte die große postkoloniale Autorin Assia Djebar gleich zwei Mal zu der ÖGfL. Von ihrem ersten Besuch gibt es gleichwohl keine Belege, außer dem, der aus der Korrespondenz des zweiten hervorgeht, nämlich, dass sie schon einmal hier war. Von ihrem zweiten ist hingegen die vollständige Briefkorrespondenz erhalten. Der Besuch fand im Jahr 1998 statt, Djebar war anlässlich des Symposions »Wir und die anderen. Islam, Literatur und Migration« eingeladen und hielt gemeinsam mit Barbara Frischmuth einen Vortrag mit dem Titel ›Schreiben zwischen zwei Kulturen‹. Ihr Antwortschreiben auf die Anfrage der ÖGfL über eine Teilnahme am Symposion (auf Französisch natürlich, da die damalige Sekretärin Helga Perz fließend Französisch sprach) kann man unten einsehen. Ein pikantes Detail am Rande, Djebar kündigte darin an, dass »Les nuits de Strasbourg« ihr letzter Roman hätte sein sollen, tatsächlich veröffentlichte sie noch danach Romane und war bis 2007 schriftstellerisch aktiv.
Einen Franzosen dieses Mal und nicht irgendeinen, sondern den sogenannten Vater des Nouveau Roman, Alain Robbe-Grillet durfte die ÖGfL auch anlässlich eines Symposions begrüßen. Noch einige Jahre vor Djebar hielt er 1965 einen Vortrag zu den Problemen des Realismus im Roman der Gegenwart. Das anlassgebende Symposion oder, wie man es damals nannte, Round-Table-Gespräch zum Thema »Unser Jahrhundert und sein Roman« zog zahlreiche Prominenz der Welt der Literatur in die ÖGfL. Zugegen waren neben Robbe-Grillet etwa Marcel Reich-Ranicki aus der damaligen BRD, Elias Canetti und Erich Fried, die damals in Großbritannien lebten, Petar Segadin aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Rumäne Marin Preda, Manès Sperber, der damals in Frankreich wohnhaft war, der Ungar Tibor Déry oder Fritz Habeck und Hans Lebert. Im Fokus des Ganzen stand die kulturelle (und vorhangschließende) Auseinandersetzung mit Osten und Westen.
Als letzter der hier vorgestellten französischsprachigen Gäste sei einer genannt, der – will man so etwas zumindest als Maßstab nehmen – der wohl bekannteste sein dürfte: Der Literaturnobelpreisträger Claude Simon. 1967 brachte er, wenige Monate vor dem Erscheinen von Nathalie Sarraute, womit die Runde der bekanntesten nouveaux romanciers fast komplett wäre, französisches Flair in das Haus der ÖGfL. Auch er war Gastredner eines Symposions oder Round-Table-Gesprächs, das die »Literatur als Tradition und Revolution« thematisierte und ähnlich viele und ähnlich prominente Gäste wie jenes mit Robbe-Grillet zählte. Simons Vortrag trug den Titel »Tradition, Avantgarde und Revolution« und beginnt provokativ-kontrovers wie man die nouveax romanciers kennt: »So wenig es eine wissenschaftliche ›Avantgarde‹ oder gar eine wissenschaftliche ›Revolution‹ gibt, (im Unterschied etwa zu einer ›traditionellen‹ oder ›bourgeoisen‹ Wissenschaft), gibt es eine avantgardistische Kunst oder Literatur«. Simon argumentiert, dass eine Gruppierung unter dem Banner der Avantgarde vergessen mache, dass Kunst und Literatur ja immer »Entdeckung, Erfindung, Schöpfung, Produktion« bedeutet, und dass es etwas Neues im strengen Sinne nicht gebe, sondern immer nur in dem Sinne, dass etwas neu zusammengesetzt werde. Was weiter in seinem Text steht, das muss dann schon bei uns im Archiv nachgeforscht werden, aber einen kleinen Auszug (sowohl im französischen Original als auch in der deutschen Übersetzung) als gewissermaßen Appetizer findet man unten.
Auch andere namhafte und – abseits von Namen – gute Schriftsteller*innen und Literaturkritiker*innen französischer Sprache sind im Laufe der Jahre in der ÖGfL eingekehrt: Und es waren bestimmt nicht die letzten, denen man das Bonjour erwidern durfte.
Aus dem ÖGfL-Archiv:
– Brief Assia Djebar an Helmuth A. Niederle (30. Dezember 1997)
– Brief Alain Robbe-Grillet
– Auszug aus dem Vortrag Claude Simons (franz.)
– Auszug aus dem Vortrag Claude Simons (dtsch. Transkription)